April

„Die junge Frau klingelte an der Wohnungstür im Erdgeschoss.“

April kämpft. Meistens. Manchmal gibt sie aber auf und treibt vor sich hin. Das ist ihr gutes Recht, denn April ist ein Mensch. Ein Mensch möchte seine Ruhe, würde ihr Vater sagen. Ihr Vater, dem sie das Bier aus der nächstgelegenen Kneipe angeschleppt hat und der trotz allem so etwas wie der Held ihrer Kindheit war. Der sie von der Mutter weggeholt hat, die so oft alles falsch gemacht hat und die für April nur eine Kindheit voller Schmerz und Einsamkeit übrig hatte. Und trotzdem zieht sich die Sehnsucht nach der Mutter und nach den beiden allein gelassenen Brüdern durch Aprils Leben. Auch dann noch, als sie sich eigentlich längst schon von allem los gemacht hat, Mutter, Vater und das Heim im düsteren Leipzig der späten 70er Jahre hinter sich gelassen hat und ihr eigenes Leben lebt.

April ist auch eine Rebellin. Sie klaut, trägt Levi’s-Jeans und einen Nicki-Pullover mit USA-Flagge. Sie trinkt und träumt, sie erfindet Geschichten, um gemocht zu werden und Aufmerksamkeit zu bekommen. Mal ist sie einsam, mal gerät sie wie durch ein Wunder an interessante neue Freunde – Literaten, Künstler und Musiker. Sie fängt selbst an zu schreiben und veröffentlicht systemkritische Literatur und Kunst.

Ohne an die Konsequenzen zu denken lebt April im Moment und wird doch immer wieder von der scheinbaren Ausweglosigkeit ihres Lebens eingeholt. Dabei möchte sie sich behaupten und beweisen – gegenüber neuen Freunden, vor allem aber vor ihrer Mutter, was ein hoffnungslosen Vorhaben ist, während es bei den anderen Jugendlichen im Heim oder später bei ihren Künstlerfreunden zu Aprils eigenem Verwundern gelingt. Trotzdem: Aprils Leben ist anstrengend. Erst recht, als sie ihre Heimat Leipzig hinter sich lässt und in den Westen geht. Denn April wird abgestoßen und dann wieder unvermittelt angezogen –  von der engen Sicherheit der DDR und immer wieder von sich selbst und ihrer Vergangenheit.April

Wunderbar direkte schnörkellos nüchterne Prosa. Ein eindrucksvolles Buch geladen mit Wehmut und schrecklicher Schönheit. Mich hat es enorm gefesselt und ich kann jedem empfehlen, vor „April“ unbedingt „Das Mädchen“ zu lesen. Hier geht es um Aprils Kindheit und es gelingt so vielleicht ein bisschen besser, die erwachsen gewordene April zu verstehen.

Angelika Klüssendorf, April, Fischer, 218 Seiten, Taschenbuch A 10,30 Euro, D 9,99 Euro.

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