Baba Dunjas letzte Liebe

„In der Nacht weckt mich wieder Marjas Hahn Konstantin.“

Für Baba Dunjas Nachbarin Marja ist der Hahn Konstantin eine „Art Ersatzmann“. Eine Seite später beschließt Dunja, Konstantin den Hals umzudrehen. Baba Dunja wohnt in Tschernowo, einem fiktiven Dorf in der Todeszone rund um Tschernobyl. Sie lebt gerne dort. Mit einer Handvoll Gleichgesinnten, die alle liebenswert starrköpfig und jenseits der achtzig sind, hat sie sich dort ein sehr eigenes Leben aufgebaut.

Trotz ihrer Eigensinnigkeit sind die Alten von Tschernowo eine eingeschworene Gemeinschaft. Sie bauen Obst und Gemüse an, die Vögel singen außergewöhnlich laut und die Spinnen weben seltsame Netze.

Obwohl alle in einer unvermuteten Idylle leben, verkennen sie die Gefahren ihrer Heimat nicht. Denn das Leben in Tschernowo ist bei aller Selbstbestimmheit alles andere als unbeschwert. Hier werden Katzen ohne Augen geboren und der kranke Nachbar Petrow ist „durchkrebst von Kopf bis Fuß“. Mit ihrer Tochter, die als Ärztin in Deutschland lebt, kann Baba Dunja nur noch über Briefe kommunizieren, ihre Enkelin hat sie noch nie gesehen.

Baba Dunja kennt also Preis und Risiko des Lebens, das sie sich ausgesucht hat. Als überraschend ein Kind in der Todeszone auftaucht, hüllt sie es zum Schutz vor der Strahlung von Kopf bis Fuß in Alufolie. Sie ist aber auch der Meinung, man könne die tödliche Strahlung „nicht für alles, was blöd zur Welt kommt, verantwortlich machen“. Damit steht Baba Dunja für eine außergewöhnliche Schönheit und Entspanntheit des Alters und eine große Portion Galgenhumor. Und auch ihre Dorfkollegen zeichnet eine skurrile Gelassenheit und Zufriedenheit mit ihrer Situation aus: während der sterbenskranke Petrov in der Hängematte Liebesgedichte liest, bandelt die Melkerin Marja nach dem Ableben von Konstantin mit dem fast hundertjährigen Sidorow an. „Wenn ich mich in meinem Alter noch über Menschen wundern würde, käme ich nicht mal mehr zum Zähneputzen“, meint Baba Dunja.

Aber selbst in Tschernowo ist keiner vor Überraschungen sicher. So wird die eingeschworene Dorfgemeinschaft auf die Probe gestellt, als Fremde ins Dorf kommen und es darum geht eine Männerleiche verschwinden zu lassen.

Alina Bronsky, Baba Dunjas letzte Liebe, Kiepenheuer & Witsch, 160 Seiten, Gebunden, A 16,50 Euro, D 16,00 Euro.

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